Von der Schwerkraft des Geldes

Die wohl auffälligste Analogie zwischen Geld und Schwerkraft ist die, daß es sich bei beiden um anziehende Kräfte handelt. Eine Abstossung wurde im Falle der Schwerkraft noch nie, im Falle des Geldes nur sehr selten beobachtet.

Die Anziehung des Geldes wird wie die Schwerkraft mit zunehmender Entfernung schwächer, doch reicht sie prinzipiell bis ins Unendliche. Einmal in der Reichweite des Menschen, tut dieser alles, um den Abstand zu verkürzen und das Geld zu erlangen – wie jeder Körper im Gravitationsfeld des anderen.

In der Umgebung des Geldes passieren erstaunliche Dinge. So wie die Schwerkraft nach Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie den Raum krümmt, wird auch das Verhalten des Menschen durch Geld verzerrt. Manchen krümmt die Plackerei fürs Geld den Rücken, anderen bricht es das Rückgrat, wiederum anderen verdirbt es vollends den Charakter.

Selbst in seinem dynamischen Verhalten gleicht Geld der Schwerkraft: Geld zieht Geld an. Dabei wächst die Anziehungskraft mit der Menge des bereits vorhandenen Geldes. Dieser Effekt führt zu einer globalen Verteilung des Geldes, die nicht homogen ist, sondern ausgeprägte Zentren enthält. Das Geld, das in diese Zentren fließt, wird natürlich der Umgebung entzogen, wodurch diese ausdünnt. Würde man eine Karte der räumlichen Verteilung des Geldes zeichnen und mit dem nächtlichen Sternenhimmel vergleichen, würde man eine erstaunliche Ähnlichkeit feststellen. Das Universum selbst, anfänglich homogen, hat sich unter dem Einfluß der Schwerkraft zu dem entwickelt, was es heute ist: ein Raum mit weitgehender Leere und einigen wenigen großen Materieansammlungen.

Geld hat auch erstaunliche Eigenschaften in Hinblick auf die Zeit. Solange der geldgierige Mensch für seinen eigenen Maßstab zu wenig besitzt, ist sein Leben von Hast und Hetze erfüllt. Erst mit Erreichen eines bestimmten Quantums Geld tritt eine zunehmende Ruhe im Bestreben ein, noch mehr Geld zu besitzen (nicht bei allen, aber bei den meisten). Nun kann der Mensch sich genüsslich auf die faule Haut legen. Dieses Verhalten entspricht dem Prinzip der kosmischen Faulheit: ein Körper bewegt sich immer so, daß die relativistisch betrachtete Eigenzeit verglichen mit allen anderen Wegen maximal wird. Ein Körper folgt in der Umgebung eines anderen der Krümmung des Raumes – er geht den Weg des geringsten Widerstandes (wie wohl die meisten Menschen) – und bewegt sich deshalb auf diesen zu, weil mit zunehmender Schwerkraft die Zeit gedehnt wird. So ist es auch dem Menschen ein Bestreben, möglichst viel Geld zu besitzen, um dadurch vermeintlich mehr Zeit zu haben.

Dies ist natürlich ein Trugschluss, denn die Relativitätstheorie lehrt uns, daß es keinen absoluten Zeitgewinn geben kann – es sei denn, man befände sich in einem schwarzen Loch. So könnte denn auch das Bestreben des Menschen in einem solchen enden ...